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11.03.2019

Automobillogistik: Personalentwicklung braucht Investitionen

Dass die Digitalisierung die Arbeit in der Automobillogistik bereits zu tiefgreifenden Veränderungen geführt hat und dies auch künftig tun wird, steht fest. Welche Auswirkungen sie auf Tätigkeiten, Kompetenzen und ganze Berufsbilder haben wird, ist allerdings in vieler Hinsicht noch offen.

Hier aufzuzeigen, wo die Unternehmen derzeit stehen, ist das Anliegen einer Studie des Lehrstuhl für Fördertechnik Materialfluss Logistik (fml) der Technischen Universität München. Im Rahmen von „Kompetenzmanagement für die Digitalisierung und Automatisierung in der Automobillogistik“ wurden dazu im Herbst 2018 Mitarbeiter und Entscheidungsträger befragt, die in der Logistik oder im Personalbereich von Unternehmen der Automobil- und Nutzfahrzeugindustrie tätig sind.

Noch werden die anonymisierten Daten ausgewertet, aber das Feedback sei sehr gut gewesen, berichtet Johannes Fottner, Professor für Technische Logistik an der Technischen Universität München. „Ein wichtiger Aspekt im Rahmen der Studie ist das Kompetenzprofil von Mitarbeitern auf allen Ebenen, von der Planung bis zum operativen Betrieb“, sagt Fottner. Gerade in der Automobilindustrie änderten sich aufgrund der hohen Produktvielfalt die Prozesse in immer kürzeren Abständen, was erhebliche Auswirkungen auf das Beschäftigungsprofil habe. Fottner: „Die Automobilindustrie mit ihrer großen Anzahl von Mitarbeitern ist nicht nur eine Schlüsselbranche, in der viele Projekte initiiert werden, sondern auch ein Treiber der Komplexität mit den entsprechenden Kompetenzprofilen.“ Das zeigt sich auch bei den ersten Zwischenergebnissen aus der Studie: „Drei Viertel der Befragten ist das Kompetenzmanagement bekannt – je größer die Firmen desto bekannter“, sagt Fottner. „Und alle Teilnehmer der Studie sind der Ansicht, dass das Kompetenzmanagement zukünftig maßgeblich sein muss.“

Kurz- und langfristig denken

Entscheidend für den künftigen Erfolg von Unternehmen in der Automobillogistik sei es, im Management nicht nur Ziele festzulegen, die in zehn Jahren erreicht werden sollen, sondern zugleich ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, welche Konsequenzen es schon in drei Jahren haben kann, wenn nicht investiert wird. „Insgesamt sehe ich die Digitalisierung mehr als Chance denn als Bedrohung“, betont Fottner. „Oftmals wird bei der Diskussion über die Auswirkungen der Digitalisierung und Automatisierung einfach vergessen, dass es bereits seit 40 Jahren Roboter und autonome Systeme – zum Beispiel Fahrerlose Transportsysteme (FTS) – gibt.“

So ist es beispielsweise bei Daimler, wo die Automatisierung in der Produktion schon seit Jahrzehnten gelebter Alltag ist. „In der Produktion haben wir seit vielen Jahren Roboter im Einsatz, die Hand in Hand mit den Kollegen arbeiten“, berichtet ein Sprecher des Unternehmens. Entsprechend sieht man im Unternehmen die Digitalisierung als große Chance: „Die Digitalisierung wird nicht zu einem Stellenabbau, sondern zu einer Verschiebung von Tätigkeitsinhalten führen – weniger Mechanik, mehr IT.“ Der Mensch werde immer im Mittelpunkt stehen – an seine Flexibilität komme keine Maschine heran. Umso mehr komme es auf eine intelligente Verbindung von Mensch und Technik an. Eine entscheidende Rolle zur erfolgreichen Transformation seien daher die Aus- und Weiterbildung. 2017 hat Daimler 121 Mio. EUR in die Mitarbeiterqualifizierung investiert: Jeder Mitarbeiter wurde im Schnitt drei Tage im Jahr qualifiziert.

Digitalisierung ersetzt nicht das Personal

Bei MOSOLF werden ebenfalls vor allem die Vorteile der Digitalisierung gesehen. Insgesamt seien die Auswirkungen hier jedoch nicht so stark wie zum Beispiel in der Inbound-Logistik. Das habe damit zu tun, dass der Automobillogistiker seine Leistungen vom Bandende bis zum Recycling anbiete. „Fahrzeugreparaturen und Sonderbauten müssen durch qualifiziertes Personal erledigt werden“, berichtet Karin Burger, Leiterin Personal bei MOSOLF. Nicht anders sehe es beim Lkw-Fahrer aus, der neben dem reinen Fahren auch die Be- und Entladung, Einstellung der Ladebühnen sowie die Fahrzeugsicherung vornehmen müsse.

„Hier kann die Digitalisierung unterstützen, aber nicht das Personal ersetzen“, sagt Burger. Anders sei es hingegen bei den prozessualen Bereichen des Unternehmens. Hier schaffe die Digitalisierung Arbeitsplätze. So arbeite Mosolf beispielsweise an neuen Systemen, um den Kunden neben Transparenz auch Mehrwertdienste entlang der Wertschöpfungskette bieten zu können. „Für unser bestehendes Personal bedeutet die Digitalisierung zugleich mehr Unterstützung bei der Prozessabwicklung“, berichtet Burger. „Daneben gibt es natürlich auch Arbeitsplätze, bei denen sich die Qualifikation der Mitarbeiter verändert.“ Mitarbeiter, die im Rahmen der Digitalisierung mit neuen Systemen arbeiten, werden daher gezielt mit Schulungsmaßnahmen unterstützt. Kein Mitarbeiter von MOSOLF müsse aufgrund von Automatisierung beziehungsweise Digitalisierung um seinen Arbeitsplatz fürchten. „Wir sind sehr optimistisch, dass wir mittelfristig keinen nennenswerten Fluktuationen unterliegen“, sagt Burger. „Ob wir im Bereich der Mangelberufe von der Digitalisierung und Automatisierung profitieren, hängt immer mit der Ausbildung und Qualifizierung zusammen.“

Neues Verständnis des Menschen

Wie wichtig eine gute Ausbildung und Qualifizierung sind, weiß auch der Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen. „Wir haben in den vergangenen Jahren erheblich in die Ausbildung an unseren deutschen Standorten investiert“, berichtet Andrea Klein, Leitern Personalentwicklung und Fortbildung bei ZF Friedrichshafen. „Insbesondere war uns dabei wichtig, die Ausstattung der Ausbildung gemäß neuesten Technologien zu gestalten, um den Auszubildenden neue Inhalte und Zukunftsthemen vermitteln zu können.“ Beispiele dafür seien Industrie-4.0-Lernanlagen, 3D-Drucker, kollaborative Roboter, Netzwerke und mobile Endgeräte wie Tablets. Dabei kämen immer mehr digital unterstützte Lernmethoden zum Tragen. „Für alle Mitarbeiter bieten wir Weiterbildungs- und Qualifizierungsprogramme an, damit wir sie auf die neuen Technologien vorbereiten“, erläutert Klein.

Insgesamt sei die Digitalisierung ein fortschreitender Prozess und noch in weiten Teilen im Aufbau begriffen. „Ein Beispiel: Montageroboter agieren aus Sicherheitsgründen heute hinter Absperrgittern, damit sie mit ihren schnellen und kraftvollen Bewegungen den Menschen nicht gefährlich werden können“, berichtet Klein. Wenn nun kollaborative Roboter eingesetzt werden, brauche es zum neuen Zusammenwirken nicht nur KI-Algorithmen, sondern auch ein neues Verständnis der Menschen, die nach wie vor im Zentrum stehen. „Dem einzelnen Mitarbeiter diesen Wandel frühzeitig klar zu machen, ist unsere Aufgabe“, unterstreicht Klein. „Doch der Erfolg davon hängt nicht allein von unseren Maßnahmen ab, sondern auch von der Motivation und Neugierde unserer Mitarbeiter.“

 

Quelle: DVZ